Über einen gemeinsamen Freund habe ich den Herren Pastor Ekkehard Heise kennengelernt. Er bat mir einen Entwurf für die Comai-Kirche zu machen. Als ich den Wünsch geäußert habe, eine Ausstellung zu machen, setzte er mich unverzögert mit Frau Ramann von stader Rathaus in Verbindung. Frau Ramann spärte nichts, um diese Idee zu verwircklichen. Und so ist die Ausstellung zu Stande gekommen. Herr Heise hatte auch die Ausstellung mit Frau Nieber, die Burgermeisterin, eröffnet und die folgende, nette Worte geschrieben.
“Es ist wichtig, dass Menschen sich ihre Geschichten erzählen. Nur so können sie sich verstehen. Es ist wichtig, die Geschichten anderer zu hören, Bilder und Geschichten zu, erzählen, zu sehen, zu betrachten, damit keine falschen Projektionen, keine Vorurteile entstehen.“
So erklärte es mir Herr Azouz in einem unserer Gespräche. Seine Geschichte beginnt 1988 in Damaskus. Dort wurde er am 9. November geboren. „Damaskus ist eine große Stadt, so wie Hamburg“, sagt er und fügte hinzu „aber auch die Stade, mit einer Altstadt, alten Häusern und Gebäuden, Märkten.
Mohammed Azouz ist ein Großstadtmensch. Seine Familie stammt aus Palästina. Von dort flohen und seine Großeltern 1948. Ihr Leben lang blieben sie und ihre Kinder Flüchtlinge in Syrien, liebten fern der Heimat.
Mohammad Azouz ging in Damaskus zur Schule. Zunächst in den Jahren 2003–2005 machte er eine Ausbildung zum Klimatechniker. Bald wurde ihm deutlich, „ich will etwas anderes machen“. Er holte sein Abitur nach und beginnt alles Hobbyfotograf zunächst mit einer Handykamera seine ersten Motive in den Straßen Damaskus zu suchen. Das war schon damals in der Diktatur nicht ungefährlich.
Es entstand der Wunsch, Grafiker und Fotograf zu werden. Graphè, griechisch, die Schrift, hatte es ihm angetan. Klassisch, Ugarit, die Keilschrift, mit Hammer und Nagel. Und die Fotografie, das Schreiben mit dem Licht. So arbeitete er zunächst als Grafiker und begann dann im Jahr 2011 die Ausbildung zum Fotografen. Als Bester seiner Jahrganges schloss er die Ausbildung ab und wurde mit einem Preis belohnt.
“Aber ich wollte”, erzählt er, “kreativ sein. Ich wollte meinen eigenen, besonderen Stil und mein Ausdrucksform finden. Mein Fotografien sollten die Geschichten meiner Motive erzählen. Meine Bilder gehen in die Tiefe, suchen die Bedeutung. Wenn dies nicht gelingt entsteht Kitsch.”
Herr Azouz greift zu einem Apfel, liegt ihm vor mir auf dem Tisch und sagt: “dieser Apfel ist alt, schrumpelig. Aber er erzählt seine Geschichte, wie ein Mensch, dessen falten vom Leben erzählen. So ist es bei jeder Blume, bei jedem Gebäude, in den Gesichtern der Menschen, kleine Details erzählen ihre Geschichte. Einen Blick dafür zu bekommen, das ist mein Werkzeug .”
Zusammen mit anderen jungen Künstlern, Malern, Bildhauern, Fotografen arbeitete Mohammad Azouz in Workshops und Ausstellungen. Im Jahr 2015 entschließt er sich zur Flucht aus der vom Krieg erschütterten Stadt Damaskus und kommt über Algerien, Marokko, Spanien nach Deutschland. Die schwierigste Zeit seines Lebens. Im Flüchtlingscamp in Deutschland wird ihn deutlich: “ich muss meine Zeit gut investieren, musst Deutsch lernen, um die Menschen zu verstehen, um mit Leuten in Kontakt zu kommen, mich zu integrieren. Ich möchte gerne als normale Mensch in Deutschland leben, ohne Sprache geht das nicht.”
Das Schicksal seiner Familie, sein eigenes Schicksal als Flüchtling, beeinflusst seine Arbeit. Er sagt: “Jeder Mensch ist der Ergebnis seiner Erfahrungen, wenn ich etwas sehe, dass mit diesem Thema: “Flüchtling, Heimat” zu tun hat, werde ich aufmerksam.
Die Ausstellung die wir heute eröffnen, hat das Team “Rest der Erinnerung”. Mohammed Azouz erklärt: “Da geht es um mein altes Leben. Darum, was nun in meinem neuen Leben bleibt, was ich in meinem Gepäck mitgebracht habe, meine Erinnerung zeige ich in diesen Bildern. Wo komme ich her? Es sind Bilder aus dem normalen Leben in Damaskus. Was habe ich gelebt?
Wir sehen Kinder. Sie blicken traurig. Sie erzählen von der Atmosphäre. Ich mag Kinder. Sie sind der Spiegel der Zukunft. Ich kann die Zukunft in ihren Augen sehen. Sie waren oft traurig. Kinder sind ehrlich. Man sieht was sie wollen. Erwachsene verstellen sich. Sie sind traurig, aber lachen. Das tun Kinder nicht.”
“Auf meinen Bildern”, sagt Mohammad Azouz, “Sieht man Vögel. Sie sind das Symbol der Freiheit, die es in Syrien nicht gab. Nicht nur nicht im Krieg, sondern schon vorher. Es war extrem gefährlich, auf der Straße zu fotografieren. Bilder die etwas von Politik erzählen, waren gefährlich.
Meine Bilder erzählen Geschichten. Fotografieren ist nicht nur eine Technik, sondern es ist Denken und sehr viel Gefühl.” Und dann ergänzt er: “Zunächst war mein Motto: Geschichtenerzählen durch Fotos. Jetzt habe ich ein neues Motto, ich sehe die Schönheit in jedem Detail. Der Rest der Erinnerung spricht von der Schönheit, die ich zurückließ und die ich neu Suche.”
Man kann länger mit diesem nachdenklichen, feinfühligen Künstler sprechen. “Dies ist meine erste Ausstellung in Deutschland”, sagte er mir, “Ich möchte den Menschen etwas Schönes zeigen. Und ich möchte auch, dass die Leute aus meinen Bildern sehen, da ist ein Flüchtling zu ihnen gekommen, ein Ausländer, der keine Bomben wirft, sondern die Augen vor schönes offen.”
Auf seine Zukunft angesprochen, erklärte er mir: “Als Fotograf möchte ich gerne Videos machen, Geschichten erzählen, von Menschen und ihrem Leben, ihren Beziehungen, Dramen. Es ist wichtig, dass Menschen sich ihre Geschichten erzählen. Nur so können sie sich verstehen. Es ist wichtig, die Geschichte anderer zu hören, Bilder zu Geschichten zu erzählen, zu sehen, zu betrachten, damit keine falschen Projektionen, keine Vorteile entstehen.
Ich freue mich über diese Ausstellung und wünsche ihr viele Besucher, Menschen, die offen sind für Geschichten anderer und die eigenen und erleben können, was uns Menschen verbindet, der Sinn für Schönheit, die Sehnsucht nach Frieden.